Der Panama Kanal. Gleichzeitig lang ersehnter Wunsch und Dorn im Auge. Warum? Für uns bedeutet der Panama Kanal, das erste Mal auf dieser Reise vertraute Gewässer zu verlassen. Bisher kannten wir uns irgendwie aus. Bisher befanden wir uns in mehr oder weniger vertrauten Gewässern. Bisher ging es alles leicht von der Hand: Doch ab jetzt beginnt die Fahrt ins Ungewisse!
Doch warum ein Dorn im Auge? Die Durchfahrt kostet uns in etwa 2500 USD – das ist definitiv der teuerste Tag unserer gesamten Weltreise. Na hoffentlich ist es das auch wert. Die Fahrt durch insgesamt 6 Schleusen, durch einen Stausee und durch eine durch Menschenhand geschaffene Schlucht in den felsigen Bergen der Westküste Panamas.
Der Panama Kanal verbindet die Karibik bzw. den Atlantik mit dem Pazifik. Er erspart Schiffen seit vielen Jahren den langen und beschwerlichen Umweg um das gefürchtete Kap Horn. Für uns bedeutet das insbesondere, dass wir uns weiterhin auf der Barfußroute bewegen können und nicht in die kalten Gewässern Patagoniens hinab müssen. Manchmal wünschen wir uns vielleicht einige Grad weniger, doch prinzipiell ist es einfach schön, immer im Warmen zu sein.


Der Panama Kanal bedeutet Vorbereitung, Planung und frühes Aufstehen. Bereits seit Februar sind wir dabei, diese Durchfahrt zu koordinieren. Haben unser Schiff vermessen lassen, Fotos eingereicht, Geld überwiesen und schlussendlich telefonisch bei den Kanalbehörden unseren Termin vereinbaren können. Für den Kanal benötigt man extra Leinen, extra Fender und extra Personal, um erstere zu bedienen. Im Vergleich dazu: Der Nordostseekanal ist länger, schmaler, kostet uns lediglich 24€ und darf alleine passiert werden. Die Leinen und Fender mieten wir uns von Stanley. Pünktlich am Tag vor unserer Durchfahrt steht eine große Schubkarre an der Pier und wir überhäufen das Vordeck mit den XXL-Kugeln und dickem blauen Tauwerk. Auch unser erster zusätzlicher Linehandler ist bereits angekommen. Nils haben wir über eine Whatsapp Gruppe gefunden und wird für eine Nacht bei uns schlafen. Denn es geht früh morgens los. Tine, unsere 5. im Bunde (Jonas, Jenny, Antonia, Nils und Tine) wohnt zum Glück nur drei Boote weiter und hat sich für 03:15 Uhr angekündigt.
Um 03:00 Uhr klingelt der Wecker. Auch für mich, als Frühaufsteher, ist das etwas früh. Doch die Aufregung lässt mich innerhalb von Sekunden wach werden. Es geht los. Nach einer schnellen Katzenwäsche, bereiten wir die Jonny auf die Ab- und Durchfahrt vor. Wasser nachtanken. Strom abstecken. Leinen vorbereiten. Plötzlich steht Walt vor unserem Schiff. Eine freudige Überraschung. Ein Amerikaner, den Jonas und ich in den letzten Tagen sehr liebgewonnen haben. Er konnte uns doch nicht einfach fahren lassen, ohne die Leinen loszuschmeißen! Jonas startet den Motor und dann schmeißt Walt also unsere Leinen los! Nach 15 Tagen Shelter Bay geht unsere Reise also weiter!

Die Jonny wird auf den Kanal vorbereitet!


Wir verlassen den Hafen und sehen in der Ferne bereits die riesige Brücke über dem Panama Kanal. Hell beleuchtet weist sie uns den Weg. Ich rufe die Cristobal Signal Station auf Kanal 12 und informiere den Lotsen, dass wir auf dem Weg sind. Pünktlich, wie angekündigt, springt der Lotse um 04:00 Uhr behänd an Bord. Das Lotsenboot entfernt sich genauso schnell wie es gekommen ist, schaltet seine Lichter ab und verschwindet in der Dunkelheit der Nacht. Wir begrüßen Roy an Bord unserer Jonny und nehmen nun endgültig Kurs in Richtung Kanal.
Um uns herum herrscht reges Treiben. Ein Großschiff zieht in Richtung der neuen Schleusen an uns vorbei. Schlepper bringen mit ihren Heckwellen die Jonny ins Wanken und Schaukeln. Wie ein Spielzeugboot tanzen wir immer wieder über die ruppigen Wellen. Der Wind schiebt uns zügig in die richtige Richtung. Wieder einmal ärgere ich mich ein wenig. Gestern wäre das ideale Wetterfenster gewesen, um über den Pazifik aufzubrechen. Doch das haben wir verpasst. Von unseren beiden „Buddy-Booten“ fehlt jede Spur. Roy sucht die Namen heraus und in unserer Liste der uns umgebenden Schiffen finde ich sie schlussendlich in 4 Seemeilen Entfernung. Wir stoppen den Motor und segeln vor Top und Takel weiter. 2 Knoten. Schlussendlich zieht Roy die Notbremse. Wir sind bereits zu weit. Zu nah an den Schleusen. Wir drehen um und driften dann in Ufernähe, um auf die anderen beiden Yachten zu warten. Nach einer gefühlten Ewigkeit sehen wir die Masten in der Morgendämmerung auftauchen. In einem großen Vollkreis nähere ich (Skipper für den ersten Abschnitt des Kanals) mich der Tabaloya. Tine und Antonia bereiten die Leinen vor und dann liegen wir Längsseits und vertäuen die beiden Boote miteinander. Wir begrüßen kurz unsere neuen Nachbarn bevor deren Aufmerksamkeit in die andere Richtung geht. Die Greji nähert sich und macht dann zügig an der Backbordseite fest. Somit ist das Dreierpäkchen komplett. Der Lotse des mittleren Bootes übernimmt das Kommando. Manövriert uns in die Einfahrt der Schleusen. Immer näher kommen die Wände. Lediglich weniger Meter trennen uns von den steinernen Mauern. Ich schaudere. Ein Fehler des Lotsen und unsere Weltreise könnte hier im Kanal einen jähen Dämpfer erfahren. Der Lotse ist noch unerfahren. Ein Lehrling. Sein Supervisor gibt mir immer wieder zusätzliche Handzeichen, Maschine zurück. Maschine neutral. Maschine zurück. Schnell habe ich den Dreh raus und übernehme das ausgleichen der Drehbewegung von alleine. Er nickt anerkennend „You are learning fast!“ Langsam nähern wir uns der endgültigen Position. Die Wurfleinen schießen an Deck. Die dicken Taue werden festgemacht und übergegeben und dann auf den Pollern festgemacht. Maschine zurück. In Position. Alles fest.
Ein Klingeln hinter uns verrät, die Schleusentore fahren zu. Jonas verabschiedet sich laut vom Atlantik. Und auch in mir spüre ich auf einmal einen Kloß im Hals. Schnell wische ich eine Träne weg. Diese Etappe ist beendet. So viel haben wir erlebt. So viel haben wir gelernt. Doch es ist Zeit, zu gehen, unseren Weg in Richtung Westen weiter zu gehen. Zu Segeln! Tschüss Atlantik. Vielen Dank für die vielen schönen Erinnerungen.

Der letzte Blick in die Karibik

Um uns herum beginnt das Wasser zu brodeln. Langsam klettern wir die Schleusenmauern empor. Die Poller, die wir vorhin nur erahnen konnten, kommen in Sicht. Wir müssen die Leinen immer wieder durchholen, um das Paket aus drei Yachten in Position zu halten. Vor uns geht das Containerschiff mit in die Höhe. Hinter uns die Schleusentore. Und dahinter stehen hunderte Kreuzfahrtgäste auf dem Bug der Eurodam und finden es bestimmt total klasse, dass wir vor ihnen festgemacht haben. Wenn jetzt etwas schief geht, haben wir sehr viele Zeugen und finden uns bestimmt in jeder Zeitschrift der Welt wieder. Zum Glück geht nichts schief. Langsam setzt sich das Containerschiff vor uns in Bewegung. Fährt ein in die nächste Schleuse. Als es fest ist, geht es auch bei uns weiter. Die Leinen bleiben mit der Landseite verbunden. 4 Personen stehen dort für uns bereit und tragen sie zu den nächsten Pollern. Wir sind als quasi wie ein unartiger Hund viermal angeleint. Und so geht es für uns insgesamt drei Schleusenkammern hinauf in den Gatunsee.

Im Kanal navigieren wir nach Tonnen


Der Gatunsee ist ein durch einen Staudamm künstlich angelegter See, durch den der Großteil des Kanals führt. Ursprünglich hatte man versucht den Kanal viel tiefer anzulegen, war aber aufgrund der Natürlichen Begebenheiten gescheitert. Schlussendlich wurde das Tal einfach geflutet. Wir müssen uns zu jederzeit innerhalb der Betonnung aufhalten. Außerhalb drohen Baumkronen der längst überfluteten Wälder unseren Kiel oder Propeller zu beschädigen. Also halten wir uns an Roy’s Anweisungen. Die Leinen zu den anderen Yachten werden losgeschmissen und ab jetzt sind wir auf uns alleine gestellt.
Jonas und ich sind übereingekommen, dass wir den Kanal mit 5,5 Knoten durchfahren wollen. Einer guten Drehzahl für das Boot und den Motor. Man muss aufpassen, denn sonst pushen einen die Advisor zu immer höheren Drehzahlen und Verbräuchen. Oft unnötig. Nicht so heute. Es geht wenig Verkehr durch den Kanal. Wir haben die Vermutung, dass eine Schleusenkammer defekt ist. Roy zählt uns die Möglichkeiten auf, mit welchen Schiffen wir den Kanal verlassen können. Es gibt genau drei Stück. Wenn wir diese verpassen, müssen wir übernachten. Zwar unverschuldet, da wir unsere Geschwindigkeit im vorherein angegeben und auch gehalten haben. Aber es gibt schöneres als im welligen Fahrwasser für 24 h an einer viel zu großen Bojen festgemacht zu sein. Wir geben als Gas. 6 Knoten brauchen wir. Das ist machbar.


Gleichzeitig haben wir ein Problem im Keller. Der Ölfilter ist undicht. Langsam tropft das gute frisch eingefüllte Öl in die Bilge unserer Maschine. Unter Motorfahrt ist es unmöglich den Ölstand abzulesen. Wir fürchten, dass wir zu viel Öl verlieren können. Die Schraube lässt sich allerdings auch nicht abdichten. Wir entschließen uns dazu, das Öl aufzufangen und oben wieder hinein zu kippen. Auflösung vorweg: Es geht alles gut. Der Motor schnurrt weiterhin wie ein Kätzchen und jetzt einen Tag später ist das Problem bereits behoben.
Roy macht sich Sorgen. Das lesen wir ihm ab. Anfangs war er noch sehr gesprächig, doch sein Gesicht wirft zunehmend Falten. Ich habe mich bereits damit abgefunden, die Nacht im Kanal zu verbringen. Müssen wir uns anfangs am rechten Tonnenstrich halten und passieren die Fahrwassermarkierungen mit maximal 1 m Abstand, so fahren wir jetzt mittig. Mittig hinter einem Großcontainerschiff her. Vollgas. Mehr wollen wir nicht. Keine Experimente. In der Ferne sehen wir die zweite Segelyacht in der Schleusenkammer verschwinden. Werden wir es schaffen? Roy hat aufgehört uns zu informieren. Sorgenvoll hört er den Funkkanal ab. Geht unter Deck telefonieren. Schaut auf die Uhr. Tine, eine unserer Linehandler, hat einen Flug am nächsten Tag. Eine Verzögerung könnte unschöne Folgen haben. Ich versuche aus Roy herauszukriegen, ob sie warten. Er weiß es nicht.
500 m vor der Schleuse dann die Erleichterung. Das Großschiff ist noch nicht eingefahren. Wir müssen uns schnell noch vor ihm in die Schleuse schieben und dann werden innerhalb der Schleusen ins Päckchen mit den anderen Yachten gebunden. Sehr unüblich. Selten gibt es so einen Stress. Ich erinnere Jonas daran, auch rechtzeitig zu bremsen, vor lauter Stress, haben wir das Gefühl Roy möchte am liebsten mit Vollgas anlegen. Dann reduzieren wir die Geschwindigkeit. Kommen längsseits geben in einem kleinen Kuddelmuddel – die Franzosen der anderen Yacht verstehen mal wieder kein Englisch – die Leinen über und nehmen fast Sekunden später die Wurfleinen des Schleusenpersonals an. Die erste geht ins Wasser. In der Zwischenzeit steuert Jonas gemeinsam mit den anderen Kapitänen die Kammervorderseite an. Mit rasanter Geschwindigkeit ist es für das Personal am Kammerrand schwierig gut zu zielen. Geschafft. Leinen über. Wir sind fest.

Fest in der Schleuse

Kurze Zeit später ist auch der blau-grüne Koloss hinter uns fest und diesmal treten wir den Weg in die Tiefe an.

Fest in der letzten Schleuse!


Die Pazifik-Schleusen teilen sich in zwei Teile auf: Die Pedro Miguel Schleusen und die Miraflores-Schleusen. Angekommen, an den letzten Schleusen, steigt die Aufregung. Nur noch wenige Meter trennen uns vom Pazifik. Und dann öffnen sich endlich die letzten Schleusentore.

Die Schleuse in den Pazifik öffnet sich!

Mein Herz macht einen kleinen Hüpfer. Es geht los. In die unendliche Fremde. Viele neue Länder warten auf dieser Seite der Welt auf uns. Viele ungeschriebene Seiten in unserem Leben warten darauf mit Geschichten fremder Kulturen und Erlebnisse in dieser neuen Umgebung gefüllt zu werden.
Die nächsten Tage werden wir vor Panama City ankern und nach einem geeigneten Wetterfenster Ausschau halten. Momentan sind die Winde wieder schwächer. Also drückt uns die Daumen, dass wir schon bald starken Nordwind bekommen und endlich loskönnen. In Richtung Marquesas!

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