Lange schon spreche ich davon, wieder einmal auf dem Rücken eines Pferdes sitzen zu wohlen. Die Jungs ziehen mich bereits seit Tagen damit auf. Zeigen mir jedes Pferd an Land und ich schnunzele in mich hinein.
Michelle begleitet mich. Wir lernen uns erst am Dinghidock kennen. Eigentlich wollten wir ihr nur einen gebrauchten Solarladeregler verkaufen – jetzt sitzen wir gemeinsam auf der Ladefläche eines Pickups und entfernen uns schnell aus dem Dorf Taiohae. Nuku Hiva ist die größte der Marquesischen Inseln. Im Nachheinein betrachtet, hätten wir lieber hier einen Mietwagen nehmen sollen, doch das Wetterfenster für unsere Überfahrt beginnt sie zu schließen – wir wollen los.
Umso mehr genieße ich es, doch noch einen Blick auf die Hochebene der Insel werfen zu dürfen. Das grün ist hier intensiver als an der Küste. Entlang der Straße sehen wir eine Vielzahl an angepflockten Pferden und Kühen. Die Vorfreude steigt.
Unser Guide, Waiho, parkt den Truck auf einer Wiese. Eine riesige Baustelle zeichnet die Umgebung. Dann schlüpfen wir durch ein Loch im Zaun und stehen in einer anderen Welt. Seiner Welt. Ein kleiner mit Runden Steinen gesäumter Trampelpfad zieht sich durch exotische Blumen und Pflanzen. Blüten wachsen überall wo man hinsieht. Eine Papaya trägt bereits die ersten Früchte und dann stehen wir auf der Veranda seines Zuhauses. An der Wand hängen Skelette von Bullenschädel. Teilweise mit traditionellen Mustern bemalt, werden die Hörner genutzt, um Zaumzeuge für Pferde oder andere Dinge daran aufzuhängen. Nach kurzer Pause, geht es weiter in den Garten. Die Pferde sind bereits gesattelt am grasen und warten auf ihre Reiter. Zwei weitere Touris sind mit dabei. Beide fast noch nie geritten. Na, das kann ja lustig werden. Meine Befürchtung wird sich bewahrheiten. Aber zu diesem Zeitpunkt bin ich damit beschäftigt, meinem Pferd Manu die Ohren zu kraueln. Sein Zaumzeug besteht aus gespleißten Bootstauwerk. Eine richtige Trense kostet hier wahrscheinlich ein Vermögen.
Ich steige als letztes auf und dann geht es bereits los. Aus dem Garten entlang der Landstraße über Feldwege in Richtung Pinienwald. Der Anfang des Ritts ist wenig spektakulär. Das Straßenbild ähnelt einer ländlichen Gegend in Europa. Die Pinienwälder passen nicht in mein Bild der tropischen Gegend. Doch schnell gewöhne ich mich an den Anblick. Endlich biegen wir in einen Feldweg und schließlich auf eine Wiese ab. Weg von den Straßen und hinein in die Natur. Der Pinienwald ist exotischer als er aus der Ferne aussah. Palmenartige Gewächse hängen von den Bäumen herab. Durch die Bäume erspähen wir Wildpferde. Die Herde schaut uns alarmiert an und tritt dann geschlossen die Flucht an. Waiho erklärt warum – wer hier auf der Insel ein Pferd braucht, fängt sich einfach eines mit einem Lasso und zähmt es. Gezüchtet wird ansonsten kaum. Entsprechend Abstand halten die Wildpferde zu Menschen und gezähmten Pferden. Die Herde ist in den Tiefen des Waldes verschwunden. Für uns geht der Ritt weiter. Wir durchqueren mehrere Flussbetter und ich genieße mein tapferes Pferd „Manu“. Die anderen Pferde sind deutlich scheuer, obwohl ich insgeheim denke, dass das eher an den Reitern liegt. Pferde merken, wenn der Reiter Angst hat und das überträgt sich eben schnell. Wir reiten eine Straße entlang. Auf dem Grünstreifen ist lediglich 1,5 m Platz, dann kommt ein Abhang. Ich schaue hinunter und lenke mein Pferd etwas weg. Das Grad ist rutschig. Hier könnte man leicht abrutschen und fallen. 50 m weiter habe ich die Stelle passiert und bleibe stehen. Ich höre ein lautes Geräusch. Zwei Lastwagen nähern sich uns. Der Guide sagt etwas auf französisch. Ich denke, die anderen sollen stehen bleiben. Der Lastwagen schert im Schritttempo auf die Gegenfahrbahn aus. Fährt vorbildlich. Doch das Pferd von dem Franzosen tänzelt. Er zieht am Zügel. Es ist ein Westernpferd. Das bedeutet rückwärts. Immer stärker zieht er am Zügel. Der Guide schreit: Lass los! Das verstehe sogar ich. Das Pferd bäumt sich auf und rutscht mit den Hinterbeinen in den Abhang. Überschlägt sich. Der Mann kann sich nicht mehr halten und fällt. Nicht nur vom Pferd sondern mehrmals den Hang hinab. 5 m in die Tiefe. Ich wende mein Pferd und reite zurück. Sage den anderen beiden, die sollen sich still verhalten. Das Pferd schafft es die Fallbewegung zu bremsen. Rappelt sich mitten im Steilhang auf und steht mit einem Satz wieder an der Straße und will losrennen. Ich springe vom Pferd und drücke dem wie versteinerten Waiho meine Zügel in die Hand. 2 m weiter habe ich die Zügel des Unglückstiers geschnappt und rede vorsichtig auf es ein. Wir rufen den Hang hinab, ob alles okey ist. Endlich erwacht der Guide zum Leben. Und der Verunglückte ebenfalls. Wir zeigen einen Stück den Weg entlang – dort ist es flacher und er kommt zurück zur Gruppe. Seine Arme und Beine sind dreckverschmiert. Aus mehreren Wunden sickert Blut. Unter anderem am Kopf. In Deutschland wäre er wohl ins Krankenhaus gekommen. Hier setzt Waiho ihn wieder aufs Pferd. Ich frage erneut nach, ob es ihm gut geht. Er ist MotorXross Fahrer, an Stürze gewöhnt, sagt er. Hält sich aber dennoch den Nacken. Zum Glück ist es nicht mehr weit zum Hof und es sind glaube ich alle erleichtert, dass keine weiteren Zwischenfälle dazukommen. Als Entschädigung bekommen wir Obst geschenkt. Michelle und ich schnappen uns alles was wir kriegen können. Die Gelegenheit ist günstig, die Boote wieder etwas zu proviantieren.
Dann geht es im Truck zurück ins Dorf. Abends lassen die Fellows und wir den Tag bei Pizza im Restaurant am Ufer ausklingen. Ich erzähle meine Story und Luca sieht sich bestätigt. Pferde sind ihm nicht geheuer! Ich muss lachen. Denn für mich sind Pferde etwas wundervolles und trotz Zwischenfall, hoffe ich schon bald erneut wieder auf demPferd zu sitzen :)





