Rairoa liegt vor uns. Wir segeln mit geringstmöglicher Geschwindigkeit in Richtung Südwesten. Die ruppigen Wellen der vergangenen Tage sind verschwunden. Wir sind bereits im Schutz des Südsee-Atolls. Es dämmert und ich sehe die ersten Palmen, den ersten Sandstrand. Und langsam färbt sich das Meer vor der Küste vom dunklen Blau der Nacht in ein sanftes Türkis.
Die Sonne ist über den Horizont gestiegen und wirft ihre sanften Strahlen über die Insel, das Meer und unser Deck. Ich ziehe die dünne Jacke aus und wärme mich an den Strahlen. Ich bin aufgeregt. Soll ich Jonas schon wecken? Nein, es ist zu früh. Wir müssen noch warten. So schön, das Paradies mich anlächelt, so heimtückisch kann es sein. Viele Segler haben uns vor den starken Strömungen gewarnt. Vor den Untiefen, die in der Dunkelheit nicht zu erkennen sind. Vor den schlechten Karten. Ein großer Teil des Atolls wird unkartiert sein. Wartet auf den richtigen Moment – haben sie gesagt. Wartet auf die Sonne. Doch wann ist der richtige Moment? Es ist nicht wie in Europa, wo es für jeden Hafen festgelegte Gezeiten gibt. Wo das meteorologische Amt fast auf die Minute genau vorhersagen kann, wann die Strömung am schwächsten sein wird. Hier muss man raten. Und die Wahrscheinlichkeit, dass man falsch liegt, ist wohl doch sehr hoch. Der tagelang anhaltende starke Wind und Schwell haben einen starken Einfluss auf die Strömung im Pass, den Eingang in das Atoll.
Was ist ein Atoll? Ein aus tausend Meter tiefe aufragendes Gebilde, eine Art Krater. Ein in sich geschlossener Kreis aus Sand und Korallen. In der Mitte oft flach und außen steil in die Tiefsee abfallend. Teilweise ist das Land so flach, dass die Wellen darüber hinweg in das Innere hineinlaufen können. Teilweise durch Pässe durchbrochen, so dass Schiffe hineingelangen können. Ein Teil des Landes ist mit Palmen bewachsen. Ein Teil aus der Ferne kaum erkennbar.
Vor so einem Pass treiben wir jetzt. Die Segel habe ich geborgen. Ich halte Kontakt mit unseren Buddybooten. Zu 4. warten wir hier auf den richtigen Moment. Die Aspro ist mutig und fährt vornweg. Über Funk meldet sie sich verwundert und kündigt den Strom 2 Knoten auslaufend an. Die Vorhersage hatte uns für diese Zeit 2 Knoten hineinlaufend angekündigt. Spannend. Ich wecke Jonas und starte den Motor. Jetzt sind wir an der Reihe. Die Ocean Fellows sind dicht hinter uns und wollen im Abstand von 150 m uns folgen. Ihr Kartenmaterial ist schlechter als unseres und wir wollen das gemeinsam meistern. Wir haben uns darauf verständigt, dass wir sie warnen, falls es für sie zu flach wird (sie haben fast 1 Meter mehr Tiefgang als wir).

Langsam nähern wir uns dem Pass. Halten Ausschau nach den Zeichen von Strom. Strudel, stehende Wellen, Stromschnellen. Links von uns rauscht Brandungswelle auf das Riff. Der Strom hat nachgelassen, wir merken einen kaum bestehenden Gegenstrom und melden diesen an unsere Buddyboote. Ein Fischer hat Bojen im Pass ausgelegt. Geschickt umsteuern wir diese und passieren sie im sicheren Abstand. Der Pass ist recht breit und nur um die 100 m lang. Zügig passieren wir ihn und fahren mit einem Lachen in das Atoll hinein. Geschafft!

Nun folgt eine Fahrt durch die Untiefen. Nach unzähligen Warnungen haben wir auf die Sonne gewartet. Mit Hilfe von polarisierenden Brillen, sind die sogenannten Bumies leicht zu erkennen. Knapp unter der Wasseroberfläche endende Inselchen. Am Tag zuvor habe ich für 50€ noch Kartenmaterial auf mein Handy geladen. Dort habe ich die Möglichkeit, das Satellitenbild unter die Seekarte zu legen. Meine Route führt uns vorbei an den Untiefen
und bringt uns sicher auf die andere Seite des Atolls. Unsere Buddyboote folgen uns im
sicheren Abstand. Der Anker fällt rund 100
m vor dem weißen Strand. Das Wasser hier ist tief. 19 m, doch selbst vom Bug aus, kann ich den Grund sehen. Sand. Wir ankern und sind glücklich in unserem ersten Atoll der Südsee angekommen zu sein! Ich kann es kaum erwarten, schnorcheln zu gehen und die Inseln zu entdecken!
