Tag 9 – 02.05.2024
Mittagsposition: 01°51’S 093°20’W
Etmal: (24 h): 132 Seemeilen
Durchschnitt: 5,5 Knoten
Wetter: Sonnig, leider ohne Wind
Auf dem Menü: Lauch Quieche
Den gestrigen Tag motoren wir durch die See. Jonas merkt an, dass wir scheinbar unter Motor nie Fisch fangen. In genau dem Moment starre ich auf die Angel. Die Leine spannt sich und ein Ruck geht durch die Angelrute. Im gleichen Moment ruckt auch die Handleine. Scheppernd machen die Dosen uns darauf aufmerksam, dass etwas angebissen hat. Schnell springe ich nach hinten. Jonas packt die Angel und ich die Leine. Nach einem weiteren Ruck, merke ich dass kein Zug mehr auf meiner Leine ist. Schnell hole ich sie ein und stelle erleichtert fest, der Köder ist noch da. Ein verlorener Köder bedeutet meist, dass ein Fisch fortan mit Haken im Maul leben muss. Wahrscheinlich in den meisten Fällen wird er nicht lange überleben. Deshalb geben wir alles, um so etwas zu vermeiden.
Jonas kämpft mit dem Fisch. Uns wurde der Tipp gegeben Fahrt zu reduzieren. Für uns hat sich das nicht als gute Wahl entpuppt. Der Fisch bekommt dadurch viel mehr Spielraum, kann in die Tiefe und unters Boot schwimmen. Somit gebe ich wieder Gas und ziehe dadurch den Fisch zurück an die Oberfläche. Schnell ist er auf die Badeplattform gezogen und wenig später hängt er mit der Schwanzflosse nach oben und wartet auf das Filitiermesser. Ein Thunfisch – ein sogenannter Skipjack. Laut unseren Freunden ein wenig wohlschmeckender Fisch. Na mal sehen. Abends steht jedoch bereits Quieche auf dem Speiseplan. Dafür werden wir mit ein wenig Wind belohnt. Endlich wieder Segeln. Zwar nur wenige Stunden, aber jeden Meter, den wir segeln können, macht mir mehr Freude als jeder Liter Diesel, den wir hier verbrauchen, um durch die Kalmen zu gelangen. Insgesamt kommen wir gut voran. Unsere Freunde, die bereits knapp zwei Wochen vor uns gestartet sind, sind nur noch 1000 Meilen vor uns. Mal sehen, wie weit wir noch aufholen können! Und mal sehen, was der heutige Tag noch so mit sich bringt.
Tag 10 – 03.05.2024
Mittagsposition: 03°31’S 095°09’W
Etmal: (24 h): 150 Seemeilen
Durchschnitt: 6,25 Knoten
Restmeilen bis Marquesas: 2700 Sm
Wetter: Regen
Auf dem Menü: Reste-Essen und Obst
Ich wache noch vor dem Wecken auf. Normalerweise weckt Jonas mich jeden Morgen, sobald er müde wird. Manchmal um 5, manchmal um halb 6. Danach gehe ich so lange Wache, bis die anderen beiden ausgeschlafen sind. Manchmal bis 10, manchmal bis 12. Als Jonas in unsere Kammer kommt, versuche ich herauszufinden, was mich geweckt hat. Was war das? Da! Wieder ein Geräusch. Ein Fiepen. Wir segeln – vielleicht also ein quietschender Block? Beim nächsten Fiepen bin ich mir sicher. Ich ruf Jonas zu. Da draußen sind Delfine! Er geht wieder hinaus und kurze Zeit später kommt: Komm schnell, sie leuchten! Gemeinsam krabbeln wir an den Bug und starren in die Wellen. Und da springen sie, spielen mit unserem Bugwasser und das wichtigste: Sie leuchten! Blau schimmernd zeichnen sich ihre Körper gegen das pechschwarze Wasser ab. Warum? Biolumineszenz. Sie wird angeregt durch Bewegung des Wassers. Das Schiff, das durchs Meer fährt. Blaue Punkte. Die Wellen, die sich brechen. Mit blauen Striemen durchzogen. Und Delfine, die durch die Wogen jagen. Blau ummalt. Schnell wecke ich Antonia. Gebannt starren wir in die Wellen. Erleben das Schauspiel. Wir sind schnell. 6,5 Knoten. Die Jonny springt übers Wasser, gemeinsam mit diesen wunderschönen Tieren. Wir hören sie fiepen. Es klingt, wie Freudengeschrei. Freudengeschrei im Morgenrot.
Tag 11 – 04.05.2024
Mittagsposition: 04°40’S 096°52’W
Etmal: (25 h): 126 Seemeilen
Durchschnitt: 5,0 Knoten
Restmeilen bis Marquesas: 2532 sm
Wetter: Sonne und Wolken
Auf dem Menü: Gulasch mit Semmelnknödel und Blaukraut!!
Wir sind am schlemmen! Jonas und ich freuen uns seit Wochen auf diesen Tag. Schon während dem Karibik-Crossing habe ich das Gulasch erwähnt. Seither schwirrt es in meinem Hinterkopf herum. Bis gestern. Die Semmelknödel haben wir seit Deutschland an Bord. Ebenso das Blaukraut (Rotkohl für die Preußen). Ein wahres Festessen! Ein kleines bisschen Heimat mitten auf dem Ozean! Wir haben den Wind erreicht! Stärker als gedacht bläst er uns weiter Richtung Westen. Unser Kurs verläuft zwar immer noch mit südlicher Tendenz. Den stärkeren Winden entgegen, weg von den Flautezonen, aber immer mehr haben wir das Gefühl in Richtung Westen unterwegs zu sein. Dem eigentlichen Ziel entgegen! Gestern dann die Ernüchterung. Schaut das aus wie ein Gewitter? Die Wetterkarten bestätigen die Vermutung. Südlich von uns zieht langsam eine riesige Gewitterzelle gen Westen. Wir gehen auf Kurs West und erst einige Stunden später als der Himmel deutlich aufklart, zurück auf Kurs SW. Es regnet immer wieder, den ganzen Tag. Erstmals müssen wir auch tagsüber Wachen einteilen. Man kann schlicht und einfach nicht draußen sein. Zu kalt, zu nass. Jeder verbringt den Tag für sich – mit Lesen, Musik oder Hörbuch hören und hoffen auf mehr Sonne am kommenden Tag. Doch gerade als ich hier im Cockpit sitze, sehe ich zwar Morgenrot, aber die gleichen Unheil versprechenden Wolken am Horizont. Vor uns ist es tiefschwarz. Nur über uns strahlt der Mond und einige Sterne blinken übers Firmament.
Tag 12 – 05.05.2024
Mittagsposition: °’S °’W
Etmal: (24 h): 147 Seemeilen
Durchschnitt: 6,1 Knoten
Restmeilen bis Marquesas: 2385 sm
Wetter: Bewölkt
Auf dem Menü: Wraps mit Auberginen, Tomaten, Guacamole, Nudeln & Ananas
Der gestrige Nachmittag verläuft ruhig. Denke ich. Die See ist halbwegs erträglich. Der Wind ein wenig schwach, so dass wir langsamer vorankommen als erwartet. Auch der Strom ist nicht vorhanden. Wurden uns nicht sogar 2 Knoten Strom versprochen? Die Fahrt durchs Wasser Anzeige zeigt den gleichen Wert wie die Fahrt über Grund Anzeige. Kein Strom. Nun gut. Aus unserem täglichen Positionsaustausch mit mehreren anderen Yachten – wir nennen uns die _Pacific Fleet_ wissen wir, dass die Segelyacht Whirlwind nur 50 Meilen hinter uns liegt. Wenn wir weiter nur 5 Knoten segeln, holt sie uns am Ende noch ein. Zwar kein Wunder, ist sie doch 3 Meter länger, aber kampflos wollen wir uns nicht geschlagen geben. Wir beschließen, die letzten vollen Dieselkanister aus den achterlichen Backskisten in den Tank umzufüllen. Das nimmt Druck aus dem Achterschiff. Im Seegang leichter gesagt als getan. Überall verkeile ich Fässer und Kisten, Seile und Gedöns, um an die schweren Kanister heranzukommen.
Endlich gluckert der erste Diesel in den Tank. Gerade als die letzten Tropfen in den Trichter fallen, höre ich ein Zirren hinter mir. Die Angel. Natürlich. Mit der einen Hand halte ich den Trichter, mit der anderen die Bremse der Angel. Wollen wir dem Fisch doch nicht zu viel Leine geben. Antonia springt auf und eilt mir zur Hilfe während Jonas den Dieselkanister verschließt und auf die Plattform springt. Schnell das Sicherungsseil umgelegt, holt er bereits an der Leine. Ich habe einen Moment Zeit, und während ich den Alkohol und das Messer vorbereite, fällt mein Blick auf unsere Handleine. Ohje. Die ist ja unter Spannung. Behutsam ziehe ich daran. In 20 Meter Entfernung springt ein aufgebrachter Fisch umher! Leute, da hängen zwei Fische an den Leinen. Meter um Meter holen wir sie dichter heran. Bis sie irgendwann natürlich sich ineinander verwickeln. Mühsam gelingt es uns Fisch 1 anzulanden. Schnell betäubt und getötet, halte ich ihn fest. Jonas und Antonia ziehen den zweiten in die Nähe. Nach schneller Überlegung beschließen wir, Fisch Nummer 2 sein Leben zu schenken. Es ist zu viel für uns zum Essen. Gerade als Jonas den Haken greifen will, macht der Fisch einen letzten Sprung und ist frei. Schnell verschwindet er in der Tiefe. Wir schauen seiner schimmernden Flosse hinterher und hoffen, dass er sich vom Schock erholt.
Der Mahi Mahi ist schnell ausgenommen und filetiert. Lecker. Weißer Fisch schmeckt am besten! Zurück zum Diesel. Warum auch alles auf einmal Geschehen muss. Drei weitere Kanister fließen in den Tank. Dann schließe ich den Stutzen, verstaue die leeren Kanister und falle erschöpft auf die Backskiste. Jetzt erstmal Duschen.
Tag 13 – 06.05.2024
Mittagsposition: 05°07’S 101°49’W
Etmal: (24 h): 153 Seemeilen
Durchschnitt: 6,4 Knoten
Restmeilen bis Marquesas: 2245
Wetter: Stürmisch bewölkt
Auf dem Menü: Ofengemüse mit Mahi Mahi
Eine Welle katapultiert mich vom Sofa. Hätte ich nicht sowieso schon mit einem ausgestreckten Bein geschlafen, wäre ich wohl hart auf dem Boden im Salon aufgeschlagen. Ich höre die Töpfe im Schrank poltern. Verwirrt stehe ich auf. Wieder ein Querschläger. Die Wellen sind hoch und steil. Sie kommen schräg von der Seite und immer wieder lassen sie unser Boot aus dem Ruder laufen. Quer zur Welle geraten. Immer wieder krängen wir stark auf die Seite bis die Welle sich unter uns durch geschoben hat und wir uns ruckartig aufrichten und dann an der Rückseite der Welle in die andere Richtung Krängen. Ich habe die Nacht schlecht geschlafen. Die anderen wahrscheinlich ebenfalls. Unser Segel ist gerefft, verkleinert. Der Wind steigt immer wieder auf die 25 Knoten hinauf. Zu viel Wind für unser Leichtwindsegel. Es ist 04:44 Uhr. Es macht keinen Sinn, sich nochmal hinzulegen. Und so stehe ich auf und löse Jonas von seiner Wache ab. Die Nacht ist dunkel. Nur die Milchstraße leuchtet am Himmel. Hinter uns türmen sich dicke Wolken auf. Ein weiteres Unwetter? Ich seufze. Ob wir irgendwann auf dieser Reise mal für mehr als 2 h angenehmes Segelwetter haben werden? Ich wage es zu bezweifeln. Und so sitze ich nun im Cockpit, halte mich fest und werde dennoch immer wieder hin und hergestoßen. Ein Ende ist nicht in Sicht.
Tag 14 – 07.05.2024
Mittagsposition: 05°25’S 104°39’W
Etmal: (24 h): 167 Seemeilen (Rekord!!)
Durchschnitt: 7,0 Knoten
Restmeilen bis Marquesas: 2075 sm
Wetter: Sonnig
Auf dem Menü: Mahi Mahi / Grillkäse mit Reisnudeln und Paprika-Sahne-Sauce
Ich kann es kaum glauben, aber wir sind nun mehr schon zwei ganze Wochen auf See. Zwei Wochen ohne festen Boden. Ohne Kontakt zu anderen Menschen. Ohne andere Boote auch nur gesehen zu haben. Ich bereite meine morgendliche Nachricht an die „Pacific Fleet“ vor. Die Segelyachten Miraflores, Imagine, Jaleo Primero, Whirlwind, Jamesby, Lella und Kaikoa sind im Umkreis von 200 Seemeilen und haben mit uns das gleiche Ziel – die Marquesas. Allmorgendlich schicken wir uns einander Positions- und Wetterupdates, teilen unsere Sorgen und unsere Freuden miteinander. Ein Boot nach dem anderen hat den Äquator überquert. Ein Boot nach dem anderen wird in den nächsten Tagen die Halbzeit erreichen. 2000 Seemeilen bis zum Ziel. Es ist ein schönes Gefühl zu wissen, man ist nicht allein. Da haben andere genau mit den gleichen Problemen zu kämpfen. Die einen haben stärkeren Strom gegen an. Die anderen zu leichte Winde. Oder wir – zu hohe Wellen. Der Pazifik muss sich definitiv erarbeitet werden. Ich kann mich nicht erinnern, wer meinte, der Pazifik sei der entspanntere Atlantik, aber das können wir Stand heute nicht bestätigen.
Gestern Nachmittag kam zumindest endlich mal die Sonne heraus. Lädt nicht nur unsere Batterien, sondern auch meinen Energiehaushalt wieder auf. Den brauche ich auch, denn auch wenn es die Videos nicht zeigen, bockt die Jonny zwischenzeitlich wie ein gestandener Rodeobulle. Unkontrolliert und vor allem unvorhersehbar. Ich habe wohl noch nie in meinem Leben so oft geflucht, wie bei diesem Abendessen. Eingekeilt zwischen den Schränken versuche ich meine Tomate auf dem Küchenbrett zu halten. Sobald sie geschnitten ist, beginnt sie auch schon sich über die komplette Anrichte zu verteilen. Schnell in die Pfanne. Der Herd ist kardanisch aufgehängt. Das bedeutet er schwingt mit. Zumindest das Schaukeln kann er ein wenig ausgleichen – führt allerdings dazu, dass die Pfanne und der Topf immer wieder unter dem Küchenschrank verschwinden. Ich passe den Moment ab, dass die beiden bei mir vorbeikommen und schmeiße schnell die Tomaten hinterher. Kochen ist wie jonglieren. Gleichzeitig die Gedanken bei Töpfen, Deckeln, Schüsseln und Messern haben. Wo kann ich was abstellen, damit es nicht im nächsten Moment schon durch die Gegend fliegt. Wieder einmal schwöre ich mir – „Morgen gibt es Nudeln mit Pesto“! Wahrscheinlich nicht. Am Ende schaffe ich es dann doch irgendwie den angebratenen Fisch, den Topf mit Nudeln, die Pfanne mit Sauce ( die mit jeder Welle überzulaufen droht) und den Grillkäse für Antonia ins Cocpit zu befördern. Wir gehen das Risiko ein. Mal sehen, ob wir von einer Welle getroffen werden. Doch wir bleiben verschont. Der Geschmack des Essens lässt mich die Strapazen der Zubereitung vergessen. Lecker :) Zum Nachtisch noch ein Stück Bananenkuchen und dann falle ich auch schon bald in einen weiteren unruhigen Schlaf.
Heute morgen ist die Welt schon rosiger. Die Sonne scheint. Die Wellen schmeißen uns nur noch alle 20 Minuten komplett aus der Bahn. Wir kommen etwas langsamer voran, aber dafür ruhiger! Dafür haben wir einen Jonny Rekord für die letzten 24 h aufgestellt – 7,0 Knoten im Schnitt! Und das nur unter einem Vorsegel! 😎😎😎