Der anhaltende Starkwind ist keine Seltenheit für die Gegend. Es ist Winter auf der Südhalbkugel. Die vorbeiziehenden Tiefs im südlicheren Teil des Ozeans schicken immer wieder Windbänder in den Norden. In Richtung Französisch Polynesien. Der Passatwind wird gestört, verebbt, oder wird deutlich stärker. So wie jetzt. Alle Boote haben Schutz gesucht. Nur wenige wagen es, zwischen den einzelnen Atollen zu wechseln. Auch wir liegen im Schutz des Atollrings. Wie vermutet – wir sind allein. Kein weiteres Segelboot in Sicht. Allein mit den Einheimischen.
Es fühlt sich an, wie Urlaub vom Fahrtensegeln. Wie zuhause, wenn ein Sturm vorbeizieht. Wir faulenzen, schauen eine Serie, basteln am Boot und erledigen mal Papierkram. Täglich unternehmen wir kleine Ausflüge. In die Ortschaft. Unterhalten uns mit den Einheimischen, erfahren, wie sie leben. Laureen lässt mich unsere Wäsche bei ihr zuhause waschen. Sie hat das Privileg in Frankreich studieren zu dürfen – gerade ist sie auf Heimaturlaub.
Das Atoll lebt hauptsächlich von den Perlenfarmen, von Tourismus im Norden und vom Export von Kokosnüssen. Viele arbeiten für den Staat. Das Leben hier ist teuer. Doch die meisten verdienen einigermaßen gut und wir haben nicht das Gefühl, dass jemand arm dran ist. Unsere Geschenke als Tausch fürs Waschen schlägt Laureen lächelnd aus. Obst und Gemüse gibt es hier kaum. Die Zitronen nimmt sie also gerne an. Die Familien importieren das Gemüse von den Marquesas. Der Boden hier ist unfruchtbar – man sieht Palmen und vereinzelt andere Pflanzen, aber für den Anbau von eigenen Obst und Gemüse ist der Boden nicht fruchtbar genug. Die Menschen ernähren sich hauptsächlich von Reis, der ist günstig, und Fisch, den fangen sie selbst.
Jeden Abend treffen wir einen Fischer und seine Frau an der Pier. Unterhalten ist schwierig – die Menschen hier sprechen Französisch. Ab 12 Jahren lernen sie auch Tahitianisch. Englisch sprechen nur wenige. Doch Laureen hat mir viel vom Leben hier erzählt. Genau aus diesem Grund sind wir hierhergekommen – die Kultur der Tuamotus kennen zu lernen. Und wir haben beide das Gefühl, diesem Bewusstsein für die Kultur einen Schritt näher gekommen zu sein. Zum Abschied schenkt mir Laureen Muschelketten und ein Armband mit einer Austernperle. Wir hoffen, sie in Tahiti wiederzusehen, bevor es für sie zurück nach Frankreich geht.







Eine Perlenfarm, 06.07.2024
Der Wind weht immer noch. Es scheint kein Ende in Sicht. Langsam werden wir unruhig. Waren wir doch auch hergekommen, um uns eine Perlenfarm anzuschauen. Seit Tagen sitzen wir an Bord oder am nahen Ufer fest und würden gerne endlich wieder rauskommen. Doch die Perlenfarm liegt auf der anderen Seite des Atolls. Der Wetterbericht macht es uns nicht leicht. Aber dann beschließen wir es einfach zu wagen. Wir packen unseren wasserdichten Seesack und machen uns mit dem Dinghi auf den Weg. Passen dazu briest der Wind wieder auf. Das Atoll ist überseht von Schaumkronen. Wir verlassen den Schutz des Riffes und bekommen direkt die erste Welle mitten ins Gesicht geklatscht. Wir schauen uns an – Jonas gibt Gas. In Gleitfahrt lassen sich die Wellen einfacher ertragen. Zwei Meilen rasen wir übers Wasser und dann sehen wir die erste Perlenboje. Jonas nimmt das Gas weg und wusch wird er von der nächsten Welle getroffen. Ich knie aufrecht im Bug und versuche die Bojen zu erspähen. Die Wellen lassen sie immer wieder unter die Oberfläche sinken und wir wollen auf keinen Fall eine Leine in den Propeller bekommen. Die Wellen lassen uns auf und ab tanzen. Nach und nach passieren wir die Bojen. Sie sind überall. Die Perlenfarm scheint riesig zu sein – so viele Bojen. Und endlich kommt sie näher.

Ein langer Steg führt hinüber zu einem vorgelagerten Riff und zu einem Haus auf Stelzen. Wir machen unser Boot fest und klettern auf die Veranda. Nach kurzer Suche finden wir Patrick. Patrick führt die Perlenfarm seit Jahrzehnten. Zwischenzeitlich hatte er sie bereits an seine Söhne weitergegeben – doch jetzt führen sie die Farm Hand in Hand. Auch hier hat die Digitalisierung ihre Spuren hinterlassen – seit die Perlenfarm auf TikTok und Instagram bekannt geworden ist, sind die Preise in die Höhe geschossen und die Farm wirft gutes Geld ab (deshalb fragen wir hier nicht mal danach, Perlen kaufen zu dürfen..)
Doch bevor wir uns die Perlen anschauen können, werden wir abgelenkt. Haie. Überall Haie. Die ganze Bucht wimmelt von ihnen und ich habe ein mulmiges Gefühl die wackelige Brücke zu betreten, die uns an Land bringen soll. Die Stelzen schwimmen an einem Bündel Perlenbojen. Gesichert wird die Konstruktion durch Seile, wackelig ist sie allemal. Der Wind pfeift uns um die Ohren. Die schwarzen Rückenflossen pflügen unter mir durchs Meer. Der Adrenalinpegel steigt werden in langsam in Richtung Land balanciere. Noch ein Schritt und endlich liegt das Riff unter der Brücke. Dafür hören die Geländer auf. Mit wackeligen Beinen betrete ich 50 m später das Land. Auch nicht für jedermanns Geschmack, so eine abenteuerliche Hofeinfahrt. Jonas und ich dürfen uns frei umschauen. Wir wandern zwischen den Häusern umher, schauen uns die Bojen und Körbe an. Die zwei Mitarbeiter räumen gerade das Equipment der letzten Ernte zusammen. Die Austern brauchen ca. 12 Monate um in den Körben unter den Bojen zu wachsen. Und weitere 18 Monate bis die erste Ernte von Perlen stattfinden kann. Das erklärt wohl die große Anzahl Bojen. Eine Austernmuschel kann dreimal Perlen abwerfen. An den Leinen und Körben wachsen jedoch auch andere Muscheln. Um diese loszuwerden – ziehen die Arbeiter die Bojen in die Nähe des Riffs. Die Fische fressen die kleinen Muscheln ab und legen die Austern frei. Dann können die Perlen geerntet werden. Heute ist leider kein Ernte-Tag – doch spannend ist es trotzdem zu sehen, wie man hier lebt. Fernab der Zivilisation auf einem einsamen Atoll.
Patrick lädt uns spontan zum Mittagessen ein, während er von seinem früheren Leben in Neuseeland und dem großen Katamaran, der vor seiner Farm an Land steht, erzählt. Es gibt Sashimi vom Thunfisch, Kürbis und Knoblauch-Sauce mit Reis. Er baut hier nicht nur die Häuser selbst, sondern plant aktuell ein neues Boot zu bauen. Die Beschaffung von Material klingt abenteuerlich, aber Geld scheint vorhanden – denn Patrick besitzt mehr Werkzeug als wir auf die Jonny bekommen würden, wenn wir sie bis zur Decke vollstellen würden. Wiedermal eine spannende Geschichte aus dem Leben in Französisch-Polynesien. Uns scheint als wäre Ahe eines der wohlhabenden Atolle – auch daran zu erkennen, dass 3-4 Flüge und 1 Versorgungsschiff pro Woche hierherkommen. Ein Kontrast zum Leben auf Raroia. Die Perlen sind also wohl das weiß-graue Gold der Pazifischen Inseln.







