Das Tauchboot hat diesmal keinen weiten Weg. Wir haben den Ankerplatz gewechselt und sind am Südende des Atolls. Der Anker fällt nur wenige hundert Meter weit vom Pass entfernt. Das Wasser hier ist unglaublich klar. Schon im Dinghi erkennen wir die große Vielfalt der Korallen und Fische. Ohne überhaupt im Wasser gewesen zu sein.
Hibbelig spiele ich an meinem Tauchequipment herum. Unser Tauchboot nähert sich schnell seinem Ziel. Greg, unser Tauchguide, gibt letzte Instruktionen: Die Flaschen sind mit Sauerstoff angereicherter Luft gefüllt. Ich bin überrascht. Ich bin noch nie mit Nitrox getaucht. Es dauert ein wenig, um den Tauchcomputer auf die neuen Umstände einzustellen. Der Vorteil – mehr Zeit unter Wasser.
Wir sind bereit. Nacheinander springen wir ins Wasser. An der Oberfläche sammeln wir uns. Ich werfe bereits einen Blick hinab. Ich sehe Sand und Korallen unter mir. Die Sichtweite ist fantastisch. Glasklares Wasser strömt aus dem Ozean in das Atoll hinein. Der Daumen nach unten signalisiert uns, abzutauchen.
Ein Fischschwarm zieht an mir vorüber, während ich mich leise und sanft in die Tiefe gleiten lasse. Wie in Trance schwebe ich hinab – Meter um Meter nähern wir uns dem Grund. Ich blicke mich um und bin überwältigt von der Schönheit dieser Landschaft. Der sandige Boden geht schon bald in ein Meer aus Korallen über. Die Wände des Passes sind ein einziger exotischer Wald. Bunte Fische sind auf der Suche nach Nahrung. Ein einsamer Hai zieht durch das Wasser. Zieht seine Kreise und verschwindet im offenen Meer.
Der Tidenstrom nimmt uns mit auf eine Reise. Langsam treiben wir durch diese Welt. Mein erster Drifttauchgang, bei dem ich keinen Stress verspüre. Eine sanfte Strömung nimmt uns mit. Wir beobachten Fische. Bewundern Korallen. Ich bin sprachlos. Und nicht nur wegen dem Mundstück, durch das ich atme. Kein Stress. Unser Guide nimmt sich Zeit, lässt uns inne halten und genießen.

Die Wall of Sharks kann beginnen…

Greg dreht sich um, winkt mich und die anderen heran. Mit der flachen, senkrechten Hand tippt er sich mit dem Daumen mehrmals gegen die Stirn – „Haie“. Im selben Moment taucht über ihm ein 2m langer Hai auf. Nicht weiter gestört durch unsere Anwesenheit, schlängelt er sich geschickt durch die einzelnen Taucher hindurch. Greg eröffnet uns den Blick in den Pass. Es wimmelt vor Haien. Mindestens hundert Haie ziehen ihre Schleifen. Anmutig und elegant. Ein besonderer Moment in meinem Leben.
Wir waren mental darauf vorbereitet. Viele Menschen haben Angst vor Haien. Ich selbst mag es nicht schwimmen zu gehen, wenn ich weiß, dass sie da sind. Doch ist man erstmal unter Wasser, verändert sich dieses Gefühl. Lautlos bewegen sich die Tiere. Elegant und würdevoll. Man kann nicht anders, als sie anzustarren. Tagsüber wirken sie so friedlich. Man verliert schnell die Scheu und vergisst, dass es sich um Raubtiere handelt.
Wir tauchen weiter. Entlang der Wand aus Haien. Immer wieder ziehen sie ihre Kreise. Es ist eine endlose Spirale. Wir werden heute zwei große Gruppen Haien sehen. Eine auf 30 m Tiefe und später eine auf 18 m Tiefe. Ich werde mutiger. Schwimme statt entlang des Passes in die Mitte. Durch die Wand. Die Haie sind sehr nahe. Und doch halten sie gebührenden Abstand. Wir begegnen einander mit Respekt. Und so werden sie mir in Erinnerung bleiben.

Eine Wand aus Haien

Das Bild ändert sich. Wir tauchen in flachere Gewässer. Ich merke, wie der Strom zunimmt. An mir zerrt. Ich sehe Jonas vor mir und tauche ihm hinterher. Greg hat uns ein Zeichen gegeben – Zeit, abzubiegen. In den Superman Kanal. Wir werden beschleunigt und schießen in einen Seitenarm. Über Korallen und Fische hinweg. Man fühlt sich frei. Versucht gar nicht erst dagegen anzukämpfen. Ich fliege! Unser Sicherheitsstopp findet heute fließend statt und so landen wir am Rande des Atolls auf einer Sandbank und können strahlend aus der Tiefe auftauchen. Ich schaue in strahlende Gesichter. Kaum zu glauben, dass wir das erleben durften!

Die Wand aus Haien in Bewegung

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